Dieser Schmerz gehört nicht mir!
Eines nachts wachte ich auf.
Ein dumpfes Poltern im Flur.
Schläfrig leise stand ich auf.
Und sehe Euch.
In einer eigenen Ecke.
Getragen von der Wand.
als würde sie euch halten müssen,
weil eure Beine es nicht mehr können.
Dein Blick.
Glasige Augen in die Leere.
Weit weg.
Du hast versucht, dich leiser zu machen –
mit Tabletten.
Dein Körper -
lallend, schwer vom Alkohol.
Nicht mehr bei dir.
Ihr beide: verloren.
Ich zitterte. Im Innen.
Nach außen: funktionierend.
Ich beginne zu trösten,
zu halten,
zu verstehen,
noch bevor ich begreifen kann.
Ich tue, was ich kann.
Weil ihr es nicht könnt.
Ich spüre euren nackten Schmerz
Und nehme ihn in mich auf.
Instinktiv. Ganz.
Dieser Schmerz gehört nicht mir.
Es ist nicht mein Schmerz.
Es ist nicht meine Wut,
meine Aggression,
meine Hilflosigkeit.
Es ist dein Unglück,
deine Kränkung,
deine Angst.
Ich gebe dir alles zurück,
was du versuchst hast
an mir rauszulassen.
Gebe dir zurück,
was dir gehört.
Alles,
was du versucht hast,
mir zu zeigen,
was ich sehen und heilen sollte.
Muss nicht essen,
was du nicht essen kannst,
muss nicht ausscheiden,
was du nicht loslassen kannst.
Ich bin nicht länger der Mensch,
der deine Tränen,
die du nicht weinen kannst,
für dich weint.
Ich bin nicht länger der Mensch,
der deine Angst,
die du nicht fühlen möchtest,
für dich fühlt.
Ich bin nicht länger der Mensch,
der deine Wut,
die du nicht in deinem Körper halten kannst,
in mir hält.
Ich gebe zurück, was nicht meins ist
Den Schmerz,
der mir Leid zugefügt hat.
Eure Haltlosigkeit.
Meine Geborgenheit,
die ihr durch mich erfahren habt.
Meine Zuwendung,
die euch getröstet hat.
Meine Sicherheit,
die euch getragen hat.
Gebe dir und dir
deine Bedürftigkeit zurück.
Habe ein inneres Feingefühl,
was mich hat spüren lassen,
was ihr brauchtet.
Ohne eigene Grenzen.
Im Verzicht auf meine Wahrnehmung.
Im Verzicht auf meine Autonomie.
Im Verzicht auf mein ICH.
Saugte auf, um zu überleben.
Ich bin nicht länger deine Energiequelle.
Ich bin nicht dafür verantwortlich,
dass du glücklich bist.
Ich bin nicht länger dein Mülleimer.
Ich bin nicht dafür verantwortlich,
dass du unglücklich bist.
Alles,
was nicht mir gehört,
werde ich nicht länger tragen und halten.
Deine Geschichte und deine Geschichte.
Die ihr in meine Hände gelegt habt.
Ein Abdruck,
den ich lange
für mein Eigenes gehalten habe.
Es ist nicht mein Schmerz.
Und ich spüre:
Eine Grenze in mir.
Wie sie sich anfühlt.
Dass sie DA IST.
Spüre keine Schuld und Scham.
Meine Verletzungen.
Meine Sanftheit.
Meine Tränen
Meinen Raum.
Nur MICH.