Bindung und frühe Schutzmechanismen
Wenn das Bedürfnis nach Resonanz sich nicht zeigen darf
Ich wünsche mir Nähe. Aber mein Körper sagt Nein.
Es gibt Situationen, in denen wir etwas spüren –
ein Bedürfnis, eine Sehnsucht, eine leise Bitte –
und dennoch bleiben wir still.
Nicht, weil es uns an Sprache fehlt.
Sondern weil etwas in uns gelernt hat:
Wenn ich mich zeige, bin ich verletzbar.
Und Verletzlichkeit war einmal zu gefährlich.
Der Text Warum fühlst du nicht, was ich brauche beschreibt genau das:
Einen Zustand innerer Trennung –
zwischen dem, was gefühlt wird,
und dem, was gezeigt werden darf.
Und das ist Ausdruck eines klugen Schutzes:
Eine kindliche Strategie,
die damals vielleicht überlebenswichtig war.
Wenn Nähe in frühen Beziehungen nicht sicher war –
weil emotionale Bedürfnisse übergangen, abgewertet oder gar beschämt wurden –
entsteht oft ein tiefes Misstrauen:
Bin ich mit meinem Wunsch überhaupt willkommen?
Darf ich zeigen, was ich brauche – ohne Angst vor Ablehnung?
Solche frühen Bindungserfahrungen prägen unser Nervensystem.
Es entwickelt feine Sensoren,
die ständig prüfen:
Ist jetzt ein guter Moment?
Ist mein Gegenüber offen genug?
Ist es sicher, dass ich mich zeigen darf?
Und wenn die Antwort fehlt –
wenn keine Resonanz spürbar wird –
dann zieht sich etwas in uns zurück.
Ganz automatisch.
Nicht, weil wir uns nicht mehr verbinden wollen,
sondern weil der Körper gelernt hat,
dass Rückzug manchmal sicherer ist als Enttäuschung.
Diese Reaktion ist nicht willentlich.
Sie ist tief verkörpert.
Ein innerer Schutz vor einem alten Schmerz.
Eine unsichere, vermeidende Bindungsstrategie, die auf fehlender Sicherheit beruht.
Der Körper erinnert sich:
„Wenn ich dir zeige, wie tief ich fühle,
und du mich dann zurückweist –
dann verliere ich mich.“
Und so halten wir still.
Auch wenn wir uns danach sehnen,
gesehen zu werden.
Doch genau in diesem Bewusstwerden –
in der leisen Wahrnehmung dieser Dynamik –
beginnt Veränderung.
Nicht durch sofortiges Handeln.
Sondern durch ein inneres Spüren:
Da ist ein Bedürfnis in mir. Und es ist berechtigt.
Und vielleicht –
mit einem Menschen, der bleibt,
der nicht bewertet,
der mit uns atmet, statt uns zu korrigieren –
entsteht langsam ein neues Vertrauen.
Und der stille Mut, sich zu öffnen.
Und wenn der Körper sagt: „Nein“ -
dann braucht das keine Bewertung,
Sondern einfach nur Annahme.
Und das ist auch Wahrheit.
Und vielleicht darf das schon der erste Schritt in das Gefühl sein:
Ich darf fühlen.
Ich darf zeigen.
Ich darf da sein – auch mit meinem Wunsch.