Bindung und Trauma
Frühe Nähe und das verlorene Selbst
Wenn deine Gefühle zu meinen werden …
Es gibt Begegnungen, die sich tiefer verorten.
Nicht, weil sie laut oder dramatisch sind –
sondern weil sie inmitten von Menschsein etwas berühren,
das still ist, verletzlich –
und dennoch bereit.
Menschen mit Bindungstrauma
kennen oft das Schwanken zwischen Nähe und
Es gibt Menschen, die spüren andere so stark,
dass sie sich selbst kaum noch fühlen.
Die sofort erfassen, wie es dem Gegenüber geht.
Noch bevor jemand etwas sagt, nehmen sie einen Tonfall wahr, ein Zögern.
Manchmal genügt ein Satz. Ein Blick. Eine Abwendung.
Sie hören zwischen den Zeilen.
Fühlen zwischen den Worten.
Und das Nervensystem reagiert – als würde etwas Altes plötzlich wieder lebendig.
Oft liegt dahinter kein Zuviel, keine Überempfindlichkeit.
Sondern ein kluger, tief verankerter Schutz.
Eine Art zu überleben –
in Beziehungen, in denen die eigene innere Welt
zu wenig Raum hatte.
Weil da vielleicht niemand war,
der sie gespiegelt, benannt, gehalten hat.
Wenn ein Kind sehr früh spürt: Ich muss aufmerksam sein,
um sicher zu sein – dann entsteht oft kein innerer Halt.
Statt in sich selbst Sicherheit zu finden,
richtet es sich unbewusst nach dem Außen aus:
Wie geht es dir?
Bist du noch da?
Ist es sicher, dass ich hier sein darf?
Ein Versuch,
über das Nervensystem des anderen Halt zu finden,
weil der eigene Halt nie aufgebaut werden konnte.
Es entsteht ein inneres Muster:
Ich bin sicher, wenn du stabil bist.
Ich bin okay, wenn du mich magst.
Ich darf sein, wenn ich niemanden belaste.
Die Fähigkeit, mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu bleiben
und sich selbst zu regulieren,
kann sich unter solchen Bedingungen oft nicht frei entfalten.
Stattdessen wird das innere Gleichgewicht abhängig vom Gegenüber:
Ich bin ruhig, wenn du ruhig bist.
Ich bin sicher, wenn du mich willst.
So entsteht ein feines inneren Spüren –
offen für jede Schwingung, jedes Wort, jede Spannung im Außen.
Mit einem Körper, der aufsaugt.
Einem Nervensystem, das sich fremde Gefühle einverleibt
und dabei das eigene Selbst verliert.
Es ist eine Form von Liebe –
die gelernt hat, sich selbst zu verlassen,
um beim anderen zu bleiben.
Das eigene Selbst beginnt zu verschwimmen.
Und was zurückbleibt,
ist oft ein diffuses Gefühl von Schuld,
von Scham, von nicht genug sein.
Manchmal sind es einzelne Momente –
manchmal stille, kaum spürbare Prozesse,
in denen das Fühlen des anderen
das Eigene verschluckt.
Der Text „Der Schwamm in meinem Körper“ erzählt genau davon:
Von der Nähe zu einem Menschen,
in der der innere Schwamm zum emotionalen Anker wird.
Und von der leisen Bewegung zurück –
hin zum eigenen Empfinden.
Hin zu einem Atemzug,
der nicht für andere geatmet wird.
Hin zu einem Satz, der leise beginnt zu wachsen:
Ich bin ich. Und du bist du.