Ich sehe, was du nicht zeigen willst

Ich sehe dich.

Deine Augen wirken leer -

Ohne Schimmer und still.

Deine Stimme versucht zu lächeln,

aber sie trägt einen Ton von Anstrengung.

Dein Gesicht bleibt regungslos,

Linien, die nur leise schwingen.

dein Körper gefüllt.

Mit einer feinen, stillen Spannung

Nicht schwer - aber würdevoll haltend.


 

Ich nehme dich wahr –

in deiner liebevollen Distanz zu mir,

und vielleicht auch zu dir.

Äußerlich wirkt alles sortiert und schön.

Die glänzenden Haare, die geglättete Haut.

Deine Fingernägel ohne Riss und Abrieb.

Die Kleidung, die sagt: Ich gehöre dazu. 


 

Und doch spüre ich etwas Anderes:

Eine leise Abwesenheit. Etwas Schweigendes.

Vielleicht eine Traurigkeit.

Etwas, was mich berührt.


 

Deine Worte erreichen mich,

aber ich fühle dich nicht.

Nicht ganz.

Etwas bleibt zurückgezogen.

Und ich denke: 

Ich fühle deine Sprache nicht, 

nicht mit dem, was ich sehe.

Ich schwanke innerlich:

Sage ich etwas?

Oder bleibe ich still?

Warte ich?

Fühle ein Ringen für deinen Raum und den Meinen.


 

Ich spüre deine Tiefe –

und gleichzeitig eine Grenze,

die ich nicht überschreiten will.

Spüre meine Tiefe, 

die keine Antwort bekommt.

Durch eine Resonanz.

Ich möchte dir verbunden sein,

und gleichzeitig dich nicht bedrängen.

Ich will nicht benennen,

was du gerade nicht halten kannst.


 

Und doch:

Ein Satz verlässt meinen Mund –

spontan, unbedacht, fühlend.

Etwas in dir zieht sich zurück.

Dein Blick wird weit, erschrocken.

Deine Antwort ist Abwehr.

Ich verstehe.


 

In mir beginnt ein inneres Wanken:

Ich will dir nichts nehmen.

Nicht deinen Schutz, nicht deine Würde.

Ich sehe deine Hülle –

und die macht Sinn.


 

Ich sehe deinen Schmerz, 

vielleicht ist er klein. 

Oder auch größer. 

Vielleicht verborgen in dir. 

Schützend umhüllt. 

Und sehe: Du möchtest ihn nicht zeigen. 


 

Und spüre: weil du mir wichtig bist,

Lasse ich ihn bei dir.

Und weil ich mir wichtig bin, 

halte ich ihn nicht für dich.


 

Etwas Altes berührt mich.

Ein Anklang von Scham,

ein Hauch von Schuld.

Habe ich dir was gesagt, was nicht stimmt?

Rede ich dir etwas ein?

Bin ich übergriffig?

Und frage mich: Was gehört zur Vergangenheit?

Und was ist im Jetzt?


 

Ich atme. Erde mich. 

Ich verliere mich nicht.

Und bleibe.

Mit mir.

Mit dir.

Mit dem, was gerade ist.

Ich höre dich.

Ich stelle Fragen,

die bei dir bleiben dürfen.

Wir beide versuchen - mit einer stillen Liebe.

Im Austausch. Im Verbinden.

Du in dir, und ich in mir.

Ob du es spürst – ich weiß es nicht.


 

Und dann, ganz am Ende,

ein Moment.

Und ich fühle: Jetzt bist du da.

Und möchte dir sagen, was ich sehe.

Spüre deinen Raum durch ein kleines Schlüsselloch, 

an das sich meine Augen pressen.

Fühle mich wie ein neugieriges Kind, 

Welches die Tür aufreißt 

und in den Raum stürmen möchte.

Spüre in mir: Das ist meins. Mein Drängen. Mein Wunsch, 

dir etwas zu geben.

Aber ich tue es nicht.

Jetzt kann ich dich berühren,

ohne dich anzufassen.

Und vielleicht spürst du es auch.

Mein Herz bleibt weich. 

Weil es hier bleibt.

Und wir beide –

bleiben verbunden.

So, wie es jetzt möglich ist.


 

Ein Satz formt sich in mir. 

Nicht gleich.

Im stillen Nachklingen.

Ich muss nicht tragen, was du mir nicht gibst.

Ich darf sehen, ohne zu korrigieren.

Ich darf fühlen, ohne zu handeln.


 

Er ist noch nicht in meinem Gefühl. 

In meinem Körper.

Aber er macht mir keine Angst mehr.


 

Und das ist ein Anfang.


 

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